Im Outdoorbereich gibt es immer wieder Situationen, in denen ein guter Kleber sehr nützlich wäre. Wenn dieser Kleber dann auch noch wasserabweisend ist, ist das gleich noch viel besser. Wie so oft hält die Natur alle nötigen Mittel bereit, um einen solchen wasserdichten Kleber selbst herstellen zu können.
Einzig das Wissen, das dazu notwendig ist, fehlt den meisten Menschen. Es ist relativ einfach, sogenanntes „Birkenpech“ (häufig auch Birkenteer genannt) zu erzeugen. Allerdings benötigt man dafür ein paar Utensilien, ohne die man die Herstellung entweder überhaupt nicht starten kann oder, im Sinne der eigenen Sicherheit, nicht starten sollte. Was braucht es für die Herstellung und wie funktioniert die Umsetzung?
Der technische Hintergrund zum Thema „Birkenpech / Birkenteer“
Der technische Vorgang, um aus der Rinde das gewünschte Pech zu generieren, nennt sich „Pyrolyse“. Das bedeutet, dass unter Luftabschluss und großer Hitze (ideal: 350°C – 400°C) die ätherischen Öle und das Wasser aus der Rinde extrahiert werden, die dann als Pech weiterverwertet werden können. In der Regel ist das frisch gewonnene Pech noch relativ flüssig und sollte noch nachbehandelt werden, um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen. Es gibt 2 unterschiedliche Techniken im Rahmen des Survivalbereichs, über die die Extraktion stattfinden kann:
- Das „Ein-Topf-Verfahren“
Das „Ein-Topf-Verfahren“ beschreibt die einfachste Möglichkeit, an Birkenpech zu gelangen. In diesem Verfahren, das später noch etwas näher erläutert wird, befinden sich das Rohmaterial (Birkenrinde) und das spätere Birkenpech im gleichen Behältnis. Die Qualität des Pechs ist bei dieser Gewinnungstechnik deutlich geringer als beim „Zwei-Topf-Verfahren“.
- Das „Zwei-Topf-Verfahren“
Mit dem „Zwei-Topf-Verfahren“ lässt sich Birkenpech in guter Qualität herstellen. Der hauptsächliche Unterschied zur Herstellung mit einem Behältnis besteht darin, dass für diesen Gewinnungsprozess zwei Behälter genutzt werden: Ein Behälter beinhaltet das Rohmaterial (Birkenrinde), im zweiten Behälter wird das gewonnene Pech eingefangen. Der Reinheitsgrad des Pechs ist hier wesentlich höher und ist deshalb, wenn möglich, vorzuziehen.
Die Bedarfsliste zur Herstellung von Birkenpech
Wie bereits erwähnt bedarf es einiger Gegenstände, ohne die man Birkenpech nicht wirklich herstellen kann bzw. sollte. Obschon es natürlich möglich ist, anstelle der nachfolgend genannten Blechdosen auch Tonbehältnisse zu nutzen, ist die Nutzung von Blechdosen weitaus einfacher umzusetzen, weshalb hier auch nur auf diese Mittel zurückgegriffen wird.
- 1 bzw. 2 Blechdosen (eine Dose sollte deutlich größer sein und mit einem Deckel geschlossen werden können)
- Hitzebeständige Handschuhe (Schweißerhandschuhe bzw. schwere Lederhandschuhe)
- Birkenrinde in beliebiger Menge (abhängig von der gewünschten Menge Pech)
- Schutzbrille!
So läuft die Prozedur der Pechgewinnung ab
Da sowohl die Ein- als auch Zwei-Topf-Methode möglich sind, sollen nachfolgend beide Vorgehensweisen erläutert werden. An dieser Stelle noch ein Hinweis: Die Pechherstellung aus Birkenrinde ist nicht ungefährlich – jeder, der sich daran versuchen will, tut dies auf eigene Gefahr und trägt das Risiko einer evtl. schweren Verletzung selbst!
Birkenpechgewinnung über das Ein-Topf-Verfahren
Die Birkenrinde muss so dicht wie möglich in den Behälter gepackt werden. Je weniger Hohlräume vorhanden sind, desto besser wird das Ergebnis. Den Behälter verschließen und beiseite stellen. Jetzt ist es Zeit, ein Feuer zu entfachen. Es soll darauf geachtet werden, dass das Feuer „flächig“ genug ist, damit der Behälter vollständig auf einem Glutbett steht. Aufgrund der Tatsache, dass die Temperatur rund um den Behälter nicht zu groß werden soll, muss darauf geachtet werden, dass das Feuer rund um den Behälter nicht zu groß ausfällt.
Wenn das Glutbett steht und bereit ist, muss der Behälter mittig darauf platziert werden. Jetzt kommt die eigentliche Arbeit, denn rund um den Behälter muss ein Feuer entfacht werden, dass möglichst gleichmäßig brennt. Es muss also immer wieder Holz nachgelegt werden, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Nach gut 1,5 Stunden sollte die Pyrolyse größtenteils abgeschlossen sein. Das Feuer einfach niederbrennen lassen, sodass man gut an den Behälter gelangt. Diesen von der Feuerstelle entfernen und für einige Minuten leicht abkühlen lassen.
Den Behälter VORSICHTIG öffnen und mit einem beliebigen Stock am Boden und den Wänden des Behälters entlang kratzen. So wird das Pech eingesammelt. Das Pech am Stock so weit abkühlen lassen, dass es mit der Hand angefasst werden kann, ohne Verbrennungen zu erleiden. Jetzt kann man das Pech vom Stock abmachen und bis zu seiner Verwendung lagern.
Birkenpechgewinnung über das Zwei-Topf-Verfahren
Die Herstellung von Birkenpech in dieser Variante ist etwas aufwendiger als über das vereinfachte Ein-Topf-Verfahren, erzeugt dafür aber Pech in wesentlich besserer Qualität. Diese Variante ist zu bevorzugen, wenn keine absolute Notsituation vorherrscht, sondern hochwertiges Pech für die Lagerung erzeugt werden soll.
Zunächst muss die Feuerfläche vorbereitet werden. Der kleinere Behälter muss so tief in den Boden eingegraben werden, dass nur noch die Öffnung des Behälters frei liegt. Auf diesen Behälter stellt man den zweiten, deutlich größeren Behälter, der in seinem Boden ein Loch hat (das Loch muss über dem eingegrabenen, kleineren Behälter sein!). Der große Behälter wird nun möglichst voll mit Birkenrinde gestopft – je weniger Luft, desto besser das Ergebnis. Der volle, große Behälter wird nun zentriert auf den kleineren Behälter gestellt. Um Luftzirkulation zu vermeiden, muss nun so viel Erde/Asche etc. an den Kontaktpunkt zwischen den Behältern geschoben werden, dass möglichst keine Luft mehr eindringen kann.
Jetzt verfolgt man wieder das gleiche Prinzip wie bei der ersten Variante: es wird langsam angefeuert, bis der obere Behälter ringsum von Feuer und Glut umschlossen ist. Dieses Feuer muss nun für ca. 1,5 – 2 Stunden möglichst gleichmäßig in Gang gehalten werden, um die Pyrolyse optimal zu unterstützen.
Tipp: Es empfiehlt sich, ein feuerfestes Sieb zwischen großen und kleinen Behälter zu legen, damit keine Verunreinigungen im Pechbehälter enthalten sind. Beim späteren entfernen der Erde/Asche darauf achten, vorsichtig zu agieren, damit beim Ausgraben nichts in den Pechbehälter fällt.
Im Ergebnis findet man im unteren Behältnis eine relativ dünnflüssige Pechlösung, die durch weiteres köcheln um ihre Wasserbestandteile erleichtert wird. Dadurch wird die Flüssigkeit zunehmend zäher und erreicht irgendwann einen Punkt, an dem sie äußerst klebrig ist. Dieses Pech ist nahezu unbegrenzt lagerfähig. Kurz vor der Anwendung muss das relativ zähe bis harte Pech wieder erwärmt werden, bis die richtige Konsistenz erreicht wurde, um es verstreichen zu können.
Anwendungsbeispiele für das Birkenpech
Natürlich kommt immer mal wieder die Frage auf, wofür man das Birkenpech überhaupt brauchen kann. In erster Linie dient Birkenpech dazu, als starker, wasserfester Kleber zu fungieren. So lassen sich beispielsweise einfache Werkzeuge bzw. deren Einzelteile mit diesem Pech verbinden, wodurch eine sehr solide Verbindung entsteht.
In Krisenzeiten, gleich welcher Art sie sein mögen, kann es durchaus hilfreich sein zu wissen, wie man sich mit Hilfe der Natur selbst ausstatten kann. Konkret lässt sich Birkenpech vor allem für folgende Anwendungen sehr gut nutzen (es gibt noch sehr viel mehr Einsatzzwecke, die individuell sind):
- Verklebung von Pfeilspitzen und Speerspitzen sowie Federn (Jagd und Verteidigungsmöglichkeiten)
- Dichtmittel für Holzgefäße
- Dichtmittel und Klebstoff für Dach- und Wandkonstruktionen (Shelterbau)
- Alle baulichen Maßnahmen, bei denen Fugen und Material wasserdicht sein müssen (Außenwände etc.)
- Langzeitbrennstoff (Beleuchtung) – Achtung: Nicht als Fackelbrennstoff geeignet. Nur in nicht brennbaren Gefäßen in kleinem Maßstab entzünden – ähnlich einer Petroleumlampe
- Zum Abdichten von Häusern und Hütten
- Zur Herstellung von Geräten und Werkzeugen
Tipp: Obwohl sich die Birkenrinde als Grundstoff für die Pechherstellung am besten eignet, können auch andere, stark harzende Baumarten für die Pecherzeugung genutzt werden. Hier sind vor allem Kiefer und Fichte zu nennen!
Historisches
Historische Funde belegen, dass schon in der Steinzeit vor über 200.000 Jahren an verschiedenen Orten Menschen Birkenpech für den täglichen Gebrauch hergestellt haben. So fixierte Beispielsweise Ötzi, seine Pfeilspitzen mit Birkenpech.
Birkenpech fand bis Ende des Mittelalters in vielen Ländern unter anderem auch im Schiffsbau Verwendung.
Hallo Michael, Danke für deinen tollen Artikel, ich hätte noch Fragen dazu. Kann das Birkenpech ganz aushärten oder bleibt es „klebrig“? Gibt es ein natürliches Mittel, was das Ganze dann wieder auflösen kann?
Viele Grüße
Danke sehr für die genaue Erklärung. Aus dem Birkenpech lässt sich bester Kaugummi herstellen der gesund ist, wach macht und den Stoffwechsel anregt. Zudem lässt sich vieles damit kleben und abdichten, sei es Dach abdichten, Fenster abdichten, früher wurden Pfeilspitzen damit angeklebt, etc. Einfach ausprobieren.
Gibt es ein Buch, was die Birke alles kann? Wie Pech Herstellung, Rinde essbar machen, Trinkwasser etc.
Hi, fürFreunde in der Archäoscene hab ich gelegentlich Birkenpech gemacht.
Die Geschichte mit dem ‚Kaugummi‘ halte ich für fragwürdig.
Der Iceman ‚Ötzi‘ und andere Zeitgenossen haben bei der Pfeileherstellung
sicher nicht an einer Werkbank gesessen. Wenn dann die beiden Hände nicht
reichten um Pfeil, Spitze, Faden Werkzeug etc. festzuhalten wird sicher auch der
Mund als Aufbewahrungsplatz mitgenutzt worden sein.
Eine klebrige Masse wie Pech wurde dann besser mit den Zähnen festgehalten
als auf den Boden gelegt.