Wie verhält man sich in der Wildnis eigentlich richtig, um zu überleben? Unzählige TV-Formate präsentieren uns die besten Tipps gegen Hunger, Durst & Kälte. Doch welche davon helfen im Ernstfall und welche dieser Überlebenstipps bringen Leib und Leben in Gefahr? Wir haben uns die 24 häufigsten Outdoor-Überlebens-Mythen näher angeschaut und verraten, was dran ist.[no_toc]
Mythen über Unterkühlungen & Erfrierungen
1. Jede Kleidung wärmt gleich gut
Baumwolle ist ein hervorragendes Material für gut wärmende Kleidung. Aber eignen sich Textilien aus Baumwolle auch für Outdoor-Ausflüge? Fakt ist: Baumwolle isoliert sehr gut, solange die Wolle bzw. der Stoff trocken ist. Sobald Baumwoll-Bekleidung nass wird, gehen die isolierenden Eigenschaften verloren. Die nassen Textilien liegen eng an der Haut an und sorgen dafür, dass der Körper schnell unterkühlt. Außerdem benötigen Baumwollfasern im Vergleich mit Kunststofffasern bis zu 8 mal länger, um wieder trocken zu werden.
2. Hypothermische Opfer schlafen lassen
Bei starker Unterkühlung treten verschiedene Symptome auf, die von Zittern über Verwirrung und Sprachstörungen bis hin unüberwindbarer Müdigkeit reichen. Es ist ein Mythos, dass bei Hypothermie Schlaf angebracht ist, denn beim Schlafen fährt der Körper seine Aktivitäten herunter, wodurch er noch mehr unterkühlt. Während die Person aufgewärmt wird, sollte sie deshalb wach gehalten werden.
3. Unterkühlte Haut warmreiben
Stark unterkühlte Haut soll durch Rubbeln erwärmt werden. Auch das ist ein Mythos. Bevor ein Körper erfriert, bilden sich winzige Eiskristalle in der Haut sowie in anderem Gewebe. Durch Reibung verursachen die Eiskristalle Verletzungen im Gewebe. Da Erfrierungen Schmerzen verursachen, sollte ein Schmerzmittel verabreicht werden und der Frierende durch Körperwärme und mit Decken aufgewärmt werden.
4. Unterkühlungsopfer warm baden
Bei Unterkühlung hilft ein wärmendes Bad. Falsch! Warmes Wasser verursacht auf unterkühlter Haut starke Schmerzen und kann im schlimmsten Fall einen Herzinfarkt auslösen. Ein unterkühlter Körper sollte immer langsam aufgewärmt werden. Gefahrlos geht das zum Beispiel im Haut-zu-Haut-Kontakt oder indem zwei Wärmflaschen unter die Achseln des Betroffenen platziert werden.
5. Alkohol wärmt den Körper auf
Uns allen ist der vierbeinige Bernhardiner mit dem Brandy-Fass um den Hals bekannt, der als Rettungshund Lawinenopfer mit Alkohol versorgt, um deren Überleben zu sichern. Angeblich wärmt Alkohol den Körper auf. Mythos? Es stimmt zwar, dass der Konsum von Alkohol ein Gefühl von Wärme erzeugt, doch tatsächlich erweitert Alkohol die Blutgefäße und Kapillaren, so dass der Körper noch schneller auskühlt. Zum Aufwärmen bei Unterkühlung eignen sich Kakao und Tee wesentlich besser.
6. Bei Hypothermie niemals Essen verabreichen
Ein Mensch mit Unterkühlung muss wieder zu Kräften kommen. Ersthelfer verzichten häufig darauf, Hypothermie-Opfern stärkende Nahrung zu verabreichen. Der Grund dafür: Unterkühlte Menschen können bewusstlos werden, erbrechen und an dem Erbrochenen ersticken. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. Bei leichter bis mittelschwerer Hypothermie kann es äußerst hilfreich sein, der unterkühlten Person wiederholt kleine Mengen hochkalorischer Lebensmittel zu verabreichen. Durch die zugeführte Energie produziert der Körper Wärme.
Mythen über Wildtiere
7. Rohes Fleisch & roher Fisch genießbar
Was ist zu tun, wenn in der Wildnis der Magen knurrt und die Vorräte leer sind? Einfach ein wildes Tier fangen und Fisch oder Fleisch roh essen? Nein! Rohes Tierfleisch bzw. Fisch kann Krankheitserreger enthalten, die für den menschlichen Organismus schädlich sein können. Selbsterlegte Beute sollte immer stark erhitzt werden, um gefährliche Keime und Bakterien abzutöten.
8. Vögel zeigen den Weg zu einer Wasserquelle
Es heißt, der Vogelflug verrät, wo sich ein Gewässer befindet. Das ist falsch. Denn Vögel fliegen den ganzen Tag kreuz und quer, wenn sie auf der Suche nach Futter sind. Wasserquellen lassen sich auf diese Weise nicht ausfindig machen.
9. Was Tiere fressen, ist für Menschen genießbar
Was von Wildtieren gefressen wird, kann bedenkenlos auch vom Menschen gegessen werden. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen gefährlichen Mythos. Wie stark der Magen auch knurrt – Menschen sollten in der Wildnis nur essen, was sie kennen und von dem sie wissen, dass es für den Menschen unbedenklich ist. Vögel und sogar Eichhörnchen fressen Beeren, Nüsse und Pilze, die für den menschlichen Organismus giftig sein können.
Mythen über Hunger und Durst
10. Bei Durst den eigenen Urin trinken
Auch durstige Menschen urinieren und deshalb kann der Urin aufgefangen und getrunken werden, um sich vor dem Verdursten zu retten. Das ist falsch. Urin ist ein Abfallprodukt des Körpers und transportiert schädliche Substanzen aus dem Organismus. Durch Trinken des Eigenurins führt man dem Körper die schädlichen Substanzen erneut zu, was zur Konzentration der schädlichen Substanzen im Körper führt. Urin kann aber zur Kühlung der Haut verwendet werden, indem die Kleidung damit getränkt wird.
11. Rohes Blut rettet vor dem Verdursten
Blut enthält wertvolle Proteine, Mineralien und Wasser. Deshalb gehört das Trinken von Blut zu einigen Kulturen. Aber als Durstlöscher ist rohes Blut nicht geeignet, da es viele Keime und Bakterien enthält. Das Risiko ist zu hoch, sich mit gesundheitsschädigenden Keimen zu gefährden.
12. An Steinen saugen, um den Durst zu stillen
Weltweit wird diese Technik praktiziert, die vor dem Verdursten retten soll, weil der Speichelfluss angeregt wird. Allerdings bekommt der Körper dadurch kein zusätzliches Wasser zugeführt. Es ist also ein Mythos, dass die Methode vor dem Verdursten retten soll.
13. Schnee essen ersetzt Trinkwasser
Schnee besteht aus Wasser und löscht den Durst. Das ist zwar richtig, doch Schnee enthält auch besonders viel Luft (Verhältnis Luft-Wasser ca. 9:1). Schneeflocken sind viel zu kalt, um gegessen zu werden und würden den Körper auskühlen, zumal aufgrund der enthaltenen Luft ein hohes Volumen an Schneeflocken gegessen werden müsste. Daher sollte Schnee erst geschmolzen und dann als Tauwasser getrunken werden.
Mythen über Feuer
14. In einer Höhle Feuer machen
Was gäbe es besseres, als bei Eiseskälte in einer kleinen Höhle ein wärmendes Feuer zu entzünden und sich daran aufzuwärmen? Richtig! Kein Feuer in der Höhle anzünden. Denn die große Hitze des Feuers sorgt dafür, dass sich das Gestein ausdehnt, was zum Einstürzen der Höhle führen kann. Außerdem stellt der Rauch eine tödliche Gefahr dar.
15. Feuer rettet Leben
Ein wärmendes Feuer ist alles, was man zum Überleben in der Wildnis braucht. Diese Idee gehört ebenfalls zu den Outdoor-Survival-Mythen. Richtig ist, dass ein Feuer überlebenswichtig sein kann. Es wärmt und erhitzt Nahrung. Ein Dach über dem Kopf ist dennoch wichtiger, zum Beispiel, um sich vor Regennässe und Schnee zu schützen oder das Feuer am Brennen zu halten.
16. Zwei Stöcke aneinanderreiben und Feuer entzünden
Da klingt so einfach. Ist es aber nicht. Um durch Reibung ein Feuer zu entfachen, wird viel Geduld, Übung und Ausdauer benötigt. Außerdem gelingt dies einfacher, wenn trockenes Stroh als Hilfsmittel verwendet wird.
17. Nasenfett lässt Feuer schneller entzünden
Das Hautfett auf dem Nasenrücken soll dabei helfen, dass sich ein Feuer schneller entzündet. Dieser Mythos ist wirklich unglaublich. Zwar bildet die Haut Talg, aber die Menge ist so gering, dass sich damit kein Feuer entfachen lässt.
18. Hartholz ist das beste Reibholz
Als Brennholz ist Eichenholz unschlagbar. Um damit durch Reibung ein Feuer zu entfachen, ist es jedoch nicht geeignet. Besser funktioniert es mit trockenen Hölzern, die weniger Harz enthalten (z. B. Zeder, Linde, Pappel, Weide).
19. Nasse Streichhölzer funktionieren noch nach dem Trocknen
Streichholzköpfe weisen eine spezielle chemische Zusammensetzung auf. Lässt man nasse Streichhölzer trocknen, funktionieren sie wieder. Einer der größten Survival-Mythen. Die chemische Struktur wird verändert, wenn die Streichholzköpfe sehr nass wurden. Sie funktionieren dann nicht mehr.
Weitere Mythen, die über Leben und Tod entscheiden
20. Mit GPS immer sicher Outdoor unterwegs
Wer in der Wildnis unterwegs ist, sollte immer ein GPS-Gerät zur Navigation dabei haben. Es hilft Menschen in der Wildnis dabei, den richtigen Weg zu finden. Sich blindlings auf das GPS-Gerät zu verlassen, kann zur tödlichen Gefahr werden. Was ist, wenn das Gerät verloren wird, es kaputt geht, die Batterien leer werden? Wanderkarte und Kompass gehören immer in den Rucksack und natürlich ist es wichtig zu wissen, wie beides für die Wegbestimmung genutzt wird.
21. Moos wächst nur an der Nordseite von Bäumen
Anhand moosbewachsener Baumstämme lässt sich die Himmelsrichtung bestimmen, denn Moos wächst nur auf der Nordseite. Wieder ein Mythos! Das Wachstum von Moos hängt von der Moosart ab und von den lokalen klimatischen Bedingungen. Die Polsterpflanze wächst dort, wo sie die besten Bedingungen findet. Deshalb ist Moosbewuchs kein Indikator für die Himmelsrichtungen.
22. Rettungsdecken sind nutzlos
Die hauchdünne Rettungsdecke bringt nichts und muss deshalb nicht in den Survival-Rucksack gepackt werden. Falsch. Sie kosten nur wenig und wiegen nicht viel. Es gibt keinen Grund, beim Outdoor-Ausflug darauf zu verzichten. Sie schützen vor Sonne und bei Kälte schützen sie den eingehüllten Körper vor Wärmeverlust.
23. Unterstände bieten ausreichend Schutz
Im Wald trifft man häufig auf einfache Unterstände. Zum Unterstellen bei kurzen Regenschauern sind sie praktisch. Muss im Wald übernachtet werden, sollte das Nachtquartier eine geschlossene Hütte sein, die rundum schützt und vor allem den Wind abhält.
24. Ein Schlangenbiss aussaugen
So mancher Hollywood-Streifen hat uns gezeigt, was bei einem Schlangenbiss das Leben retten soll: Ein Schnitt in die Bisswunde und dann das Schlangengift mit dem Mund aussaugen. Auch das ist ein lebensgefährlicher Mythos, da der Speichel weitere Bakterien in die Wunde bringt. Besser ist es, einen Druckverband anzulegen und schnellstmöglich zu einem Arzt zu gehen, damit ein Gegengift gespritzt und die Wunde versorgt werden kann.
Hallo Alex,
sehr informativ.
Einen Mythos vermisse ich allerdings: daß man sich vor großer Kälte schützen kann, indem man ein großes Tier, i.d.R. ein Pferd, aufschneidet und hineinkriecht.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß das wirklich funktioniert, Fleisch ist ein schlechter Dämmstoff, außerdem ist es in der Körperhöhle feucht. Trotzdem wird es immer mal wieder in „Abenteuerfilmen“ verwendet.
Hast Du zu dem Thema Wissen oder Belege, daß das schon mal geklappt hat?
Mit freundlichen Grüßen, Klaus